Das Behindertentestament
So schützen Sie behinderte Angehörige effektiv durch Testamentsvollstreckung:
Sie haben ein behindertes Kind und fragen sich, was werden soll, wenn Sie einmal nicht mehr sind? Sie streben die optimale Versorgung des Kindes und zugleich den optimalen Schutz seines Vermögens an? Und Sie haben vielleicht schon den Begriff „Behindertentestament“ gehört und möchten nun wissen, was es damit auf sich hat.
1. Experten-Tipp: Machen Sie ein „Behindertentestament“!
Hinter dem Begriff des „Behindertentestaments“ (allgemein üblich seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.10.1993 in BGHZ 123, 368 mit den maßgeblichen Kriterien einer zulässigen Gestaltung) verbirgt sich eine ganze Reihe von Maßnahmen, die zusammen den Zugriff des Sozialversicherungsträgers auf das ererbte Vermögen behinderter Menschen sicher verhindern.
Zunächst muss man also – mit fachanwaltlicher Hilfe – ein wirksames (!) Testament errichten.
2. Experten-Tipp: Ordnen Sie Testamentsvollstreckung an!
Die wichtigste dieser Maßnahmen ist die Anordnung der Testamentsvollstreckung und die Auswahl und Ernennung eines zuverlässigen Testamentsvollstreckers.
Aber damit ist das erforderliche Maßnahmenbündel noch lange nicht vollständig beschrieben: Es braucht eine ausgefeilte Testamentsgestaltung aus mehreren klug zusammen gesetzten Bausteinen, um dafür zu sorgen, dass Ihr Nachlass einem behinderten Angehörigen zugutekommt und nicht von der Sozialversicherung abgeschöpft wird.
Lebzeitig schulden Eltern einem Kind, das nicht für sich sorgen kann, Unterhalt. Mit dem Tode eines Elternteils und später mit dem Tode des zweiten Elternteils fällt die jeweilige Unterhaltspflicht weg, aber wirtschaftlich treten das Erbrecht und der Pflichtteilsanspruch an die Stelle der Unterhaltspflicht.
Die Erben haften aber nicht für den Unterhaltsanspruch. Insbesondere Geschwister müssen für einen behinderten Bruder oder eine behinderte Schwester nichts tun, da sie selbst keine Unterhaltspflicht trifft. Nur Verwandte in grader Linie, also Personen, die voneinander abstammen, schulden einander Unterhalt.
Ein behindertes Kind ohne eigene Kinder kann nach dem Tod beider Eltern also ohne jedes Einkommen dastehen, und das vorhandene Vermögen wird nach und nach auf den Anspruch auf Sozialleistungen verrechnet und schmilzt dahin. Diese Abschmelzung wird durch die Errichtung eines Behindertentestaments verhindert und erhält den Vermögensstamm für das behinderte Kind.
Nach den Regelungen des Sozialgesetzbuches XII muss aber der Sozialhilfeträger sich seine Leistungen aus dem pfändbaren Vermögen des Empfängers wieder erstatten lassen. Daher muss dafür gesorgt werden, dass ein Kind von vornherein nicht in der Lage ist, aus seinem eigenen Vermögen irgendetwas zu erstatten.
Der Erbfall – beide Erbfälle nach beiden Eltern! – muss also so gestaltet werden, dass das behinderte Kind nicht zu eigenem Vermögen kommt. Gleichzeitig muss das Kind aber so abgesichert werden, dass es nicht auf das Wohlwollen seiner Geschwister angewiesen ist, denn das kann nach dem Tode beider Eltern ebenso schnell dahin schmelzen wie das ungeschützte Vermögen des Kindes.
Die drei Ziele
- Vermeidung des Sozialhilfegress
- wirtschaftliche Absicherung des behinderten Kindes
- Vermeidung einer Bittsteller-Position gegenüber den gesunden Geschwistern
können nur durch ganz bestimmte konstruktive Maßnahmen effektiv erreicht werden.
Dabei ist immer der sozialhilferechtliche „Nachranggrundsatz“ zu beachten: Alles muss so konstruiert sein, dass bei dem Kind keine pfändbaren Ansprüche auftauchen, auf die der Sozialversicherungsträger im Rahmen des Sozialhilferegresses zugreifen könnte.
Das ist aber nicht einfach, da z.B. der Pflichtteilsanspruch des Kindes nicht ausgeschlossen werden kann und darüber hinaus ja vielleicht gar nicht beabsichtigt ist, das Kind überhaupt auf den Pflichtteil zu setzen, sondern es mit dem vollen Erbrecht (wie etwa vorhandene Geschwister) wirtschaftlich voll versorgt werden soll.
In unserem Beitrag zum Schuldnerschutz haben wir bereits dargestellt, dass bei Anordnung einer Testamentsvollstrecker die Gläubiger des Erben während der Dauer der Testamentsvollstreckung nicht auf die Substanz und die Erträge aus dem Erbe zugreifen können, sondern nur auf das nicht ererbte Eigenvermögen des Erben.
Bei einem behinderten Kind muss also unbedingt Testamentsvollstreckung angeordnet werden, damit der Sozialhilferegress unterbunden wird und das Sozialamt nicht auf die Substanz oder in die laufenden Erträge des Erbes zugreifen kann.
3. Experten-Tipp: Ordnen Sie lebenslange Dauervollstreckung an!
Die Testamentsvollstreckung kann normalerweise nur für eine Dauer von höchstens 30 Jahren angeordnet werden. Es kann aber auch bestimmt werden, dass sie bis zum Tode des Testamentsvollstreckers oder bis zum Tode des Erben dauert.
Also sollte für das ganze Erbe (zum Schutz vor den Geschwistern, wenn Spannungen befürchtet werden) oder wenigstens für den Erbteil des behinderten Kindes (wegen des gesetzlichen Schuldnerschutzes bei Testamentsvollstreckung) ein Testamentsvollstrecker eingesetzt werden. Es muss dabei ausdrücklich angeordnet werden, dass die Testamentsvollstreckung bis zum Tod des behinderten Kindes dauert.